Höhensimulation: medizinische Wirkung
Im Spitzensport wird Höhensimulation schon lange zur gezielten Leistungssteigerung eingesetzt. Mittlerweile profitieren aber auch viele Hobbysportler und Reha-Patienten vom Einsatz sauerstoffreduzierter Luft. Durch den bewusst herbeigeführten Sauerstoffmangel aktiviert der Körper seine Anpassungs- und Selbstheilungsprozesse. Er produziert vermehrt rote Blutkörperchen. Die rasche Blutbildung leitet mehr Sauerstoff ins Blut und unterstützt die Zellerneuerung.
Sauerstofftransportkapazität und Blutneubildung
Innerhalb von ein bis zwei Tagen eines Höhenaufenthalts kommt es zu einer Abnahme des Plasmavolumens, wodurch ein Anstieg der Hämoglobinkonzentration sowie des Hämatokrits und damit eine Erhöhung der Sauerstofftransportkapazität bedingt sind (DILL u.a. 1974, HANNON u.a. 1969). DILL u.a. (1974) fanden bei hochtrainierten Mittelstreckenläufern während eines dreiwöchigen Höhentrainings in 2300 m einen Abfall des Plasmavolumens um 6 Prozent, der auch nach Ende des Trainingslagers noch fortbestand.
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Als weitere physiologische Reaktion zur Erhöhung der Sauerstofftransportkapazität wird die Blutneubildung gesteigert. 15 Minuten bis 2 Stunden nach Beginn der Hypoxieexposition steigt die Erythropoietinkonzentration im Blut gefolgt von einer vermehrten Neubildung roter Blutzellen und nachfolgender Ausschüttung aus dem Knochenmark (Retikulozytose) (BERGLUND 1992, KLAUSEN u.a. 1991, MAIR-BÄURL u.a. 1986). Als Resultat können die Erythrozytenmasse und das Gesamtkörperhämoglobin zunehmen; allerdings sind Effekte aufgrund vermehrter Neubildung von Erythrozyten frühestens nach ca. zwei Wochen Hypoxie-Exposition zu erwarten. Um eine Zunahme der Erythrozytenmasse oder des Gesamtkörperhämoglobins feststellen zu können, sind Messungen des Gesamthämoglobins oder der Erythrozytenmasse notwendig; Bestimmungen der Hämoglobinkonzentration des Hämatokrits reichen nicht aus, da sie wie bereits erwähnt – auch durch Abnahme des Plasmavolumens bedingt sein können.Um einen relevanten Anstieg der Erythrozytenmasse auszulösen, wird ein Aufenthalt von mindestens drei Wochen in mindestens 2.500m gefordert. (LEVINE/STRAY-GUNDERSEN 1992).
Das Höhentraining stellt eine Leistungsreserve dar, weil mit ihm Trainingsreize über die normalen trainingsmethodisch erschließbaren Möglichkeiten hinaus ausgelöst werden können. Der Entwicklungsreiz „Höhentraining“ ist in erster Linie auf Anpassungen des Organismus an den erniedrigten Sauerstoffpartialdruck und den dadurch hervorgerufenen Sauerstoffmangel sowie die spezifischen klimatischen Bedingungen (veränderte Luftfeuchtigkeit und -temperatur) zurückzuführen. Sie bewirken neben oben erwähnter, gesteigerter Sauerstofftranportkapazität und Blutneubildung eine nachhaltige Aktivierung und Ökonomisierung eines Komplexes von Hauptfunktionsgrößen des Organismus wie:
- Herz-Kreislauf- und Atmungssystem (Herzfrequenz, Atemminutenvolumen, Sauerstoffaufnahme)
- Zelle / Mitochondrienbesatz / Kapillarisierung Enzymbesatz (aerob und anaerob)
- Energiestoffwechsel (Kohlenhydrate und Fette)
- Hormonelle Regulation und Säuretoleranz
Von besonderer Bedeutung ist jedoch die Erkenntnis, dass diese leistungsfördernden Anpassungen, der so genannte „Höheneffekt“, auf der Summation von Trainingsbelastung und Höhenbedingungen beruhen, wobei der Trainingsbelastung mehr Gewichtung zukommt. Unter Beachtung der Trainingsbelastung unter Höhenbedingungen sowie ihrer optimalen Gestaltung können nach Rückkehr ins Flachland grundlegend folgende Ergebnisse erzielt werden:
• eine Verbesserung der Geschwindigkeit unter aeroben Bedingungen
• eine Ökonomisierung der aerob/anaeroben Stoffwechselprozesse auf gleicher und höherer Geschwindigkeitsstufe
• eine subjektiv empfundene höhere Belastungsverträglichkeit mit Reserven im Steigerungsvermögen
Die unter Höhenbedingungen durch wirkungsvolles Training ausgelösten Anpassungen des Organismus werden damit zu einem Anpassungsüberschuss im Flachland. Sie bilden die Hauptursache für zeitlich begrenztes höheres psycho-physisches Leistungsniveau und eine höhere Belastungsverträglichkeit. Anpassungseffekte begünstigen langfristig:
• Steigerung des Niveaus und Stabilität der Grundlagen- und Kraftausdauer
• die Bewältigung wettkampfspezifischer Belastungen
• den Regenerationsverlauf bei mehreren Wettkämpfen/ wettkampfspezifischen Belastungen in dichter Folge
• die wettkampfspezifische Ausdauerfähigkeit